Digitale Fortbildung Städel III

Kunst der Moderne. Vom Impressionismus zur Neuen Sachlichkeit /  Führung Daniela Englert.

Im Wesentlichen traf sich wieder derselbe Teilnehmerkreis wie bei den beiden vorhergehenden Treffen.

Degas – Renoir – Manet – Liebermann – Bonnard – Kirchner – Dix. Eine Reihe, die an einigen Beispielen zeigt, wie Malerei sich im Lauf der Zeit verändert. Dieses Mal ging es vor allem darum, wie zwischen den 1870er und den 1920er Jahren immer wieder neue Elemente einfließen. Entsprechend verschwinden andere und werden zum Teil später wieder aufgenommen, ganz wie es dem Wunsch und der Intention der Künstler entspricht. Gemeinsam ist diesen Bildern, dass alte und neue Elemente oft nebeneinanderstehen.

Mein persönlicher Eindruck ist, dass sich bei jedem der gezeigten Bilder ein ganz genaues Hinsehen lohnt, schon wegen der handwerklichen Meisterschaft. Einerseits schade, dass wir das Städel-Museum jetzt gerade nicht physisch besuchen können. Andererseits gibt diese Schließung uns die Chance, solche Werke mit Daniela Englerts Auswahl und Anleitung zu betrachten.

Degas, Orchestermusiker, 1872. Das erste der Bilder von Degas, in dem Tanz eine Rolle spielt. Vorne sieht man von hinten Orchestermusiker, oben und weiter hinten die Balletteusen; eine, im Lichte, nimmt Beifall entgegen. Die Musiker sind sehr genau gemalt, die Tänzerinnen, obwohl mit viel Ausdruck, haben weit weniger Details, der Hintergrund ist nur angedeutet. Das im Atelier gemalte Bild ist genau komponiert und wird von vorn nach hinten immer impressionistischer.

Renoir, La fin du déjeuner, 1879. Ein Bild des Genusses, wie häufig in dieser Periode bei Renoir. Edouard zündet sich eine Zigarette an, neben ihm zwei Frauen, die offensichtlich ebenfalls glücklich sind. Eine klassische Momentaufnahme im impressionistischen Sinn, was sich auch in den systematischen Zufälligkeiten der Farbgebung zeigt. Renoirs große Meisterschaft zeigt sich an vielen Details, etwa daran, wie Glas und Porzellan dargestellt sind (er war ja auch gelernter und sehr renommierter Porzellanmaler).

Manet, Krocketpartie, 1873. Zwei Maler mit ihren Modellen. Hier sind einmal die Damen aktiv. Sie spielen im dichtbewachsenen grünen Garten Krocket, die Herren sehen entspannt zu. Nass-in-nass sehr spontan gemalt. Räumliche Tiefe wird nicht nur durch die Farbgebung bewirkt, sondern auch durch den Pinselstrich: Vorne ungerichtete Striche, in der Mitte, in Licht und Rasen, eine ruhige Pinselführung, hinten viel gröber und rhythmisch diagonal. Licht und Schatten durch hellere und dunklere, kältere und wärmere Grüntöne. Bemerkenswert das blaue Kleid, das sich ohne Konturen nur durch die Schattierungen genau darstellt.

Liebermann, Freistunde im Amsterdamer Waisenhaus, 1881/82. Liebermann hatte sich intensiv mit dem Waisenhaus beschäftigt. Für Liebermann ist dieses Bild ein Wendepunkt; die Personen sind ganz traditionell mit festem Strich dargestellt, andere Elemente, wie die Spatzen oder die Lichtflecken, vollkommen impressionistisch. Genauigkeit und Lichteindruck sind gleichermaßen vertreten.

Bonnard, liegender Akt auf weißblau kariertem Grund, um 1910. Die Person im Bild ist Marthe, Bonnards Freundin und spätere Frau. Hände und Kopf sind für einen Akt ungewohnt genau gemalt. Das Prinzip des Lichts ist noch deutlicher betont als bei den anderen Bildern, trotz geringer Beleuchtung. Matisses „großer liegender Akt“ von 1935 wird zum Vergleich herangezogen; wenn die Bilder auch strukturell ganz verschieden sind, ist auch bei Matisse eine blauweiß-karierte Decke vorhanden. Es ist gut möglich, dass Matisse das Bild von Bonnard kannte.

Kirchner, Zwei Frauen mit Waschbecken; Die Schwestern, 1913. Erna und Gerda in schönen Kleidern machen sich offensichtlich zum Ausgehen bereit. Eine im Bild ganz unterschiedliche Strichführung lässt die Szene ein wenig nervös wirken, aber die Schwestern wirken sehr ernst. Die Umgebung ist in warmen, die Personen eher in kalten Tönen gehalten, was eine gewisse Spannung noch verstärkt. Dazu passt eine leichte perspektivische Drehung, die dem Betrachter einen Überblick gibt.

Dix, Familie des Künstlers, 1927. Öl auf Holz, angeregt von alten Meistern, etwa van Eyck, ein wenig in der Manier traditioneller Madonnenbilder, in schönen warmen Farben – und das in der Neuen Sachlichkeit. Dix malte Frau, Kinder und sich naturalistisch, aber teilweise etwas überspitzt: Manche Züge sind leicht übertrieben.

Natürlich kann man diese Bilder in unterschiedlichsten Qualitäten im Internet ansehen. Aber das sind zunächst einmal nur Bilder. Erst Auswahl und Kommentar bringen sie uns nahe – eine typische Aufgabe unserer Branche. Dorothee Schäfer fasste im abschließenden Gespräch einen wichtigen Aspekt dieses Besuchs sinngemäß etwa so zusammen: Daniela Englert hat uns vorgeführt, wie den Erklärungsteil unserer Arbeit machen sollen. Es geht darum, in kurzer Zeit das Wesentliche eines Phänomens offensichtlich zu machen.

Wir waren zwei Stunden unterwegs und hätten vermutlich auch noch viel länger interessiert mitgemacht. Wir hoffen, dass wir noch viel in dieser Art erleben können!

 

Reinhard Jonas