Digitale Fortbildung im Frankfurter Städel Museum

“Highlights des Städelmuseums”, am 25.2.2021 um 15h, Führung: Daniela Englert.

Zum ersten Mal als Pilotprojekt: eine digitale Führung im Museum als Fortbildung für den Verband der Studienreiseleiter und dies in einer der bedeutenden Kunstsammlungen in Deutschland. Angedacht war das vom erweiterten Vorstand als eine motivierende Anregung für Kulturreisen in der nahen Zukunft. Schließlich werden im zweiten Corona-Jahr zunächst Reisen in Deutschland und ins nahe Ausland eher möglich sein als Fernreisen. Anstatt also einzelne Ausstellungen virtuell zu besuchen – was ja im übrigen jeder nach Interesse allein tun kann -, erscheint es sinnvoller, uns ausgewählte Sammlungen von Museumsfachleuten zeigen und erklären zu lassen, so lange wir nicht selbst herumreisen können. Der Verband lädt zu diesen interaktiven Zoom-Meetings ein (Voranmeldung nötig). 

Eineinhalb Stunden waren geplant, aber wie die Museumspädagogin des Städel, Daniela Englert, schon vorgewarnt hatte: es würde vermutlich länger dauern, auch wenn sie sich auf ein paar berühmte Gemälde der europäischen Kunst beschränken wolle. Wer könnte das besser verstehen als wir? – aber hier drohen weder schwere Füße noch schwere Lider, also alles entspannt.

Daniela Englert hätte man auch gerne auf einer Reise als Erklärerin gehabt. Kompetent, didaktisch geübt und konzentriert begann sie in chronologischer Ordnung beim berühmtesten mittelalterlichen Gemälde des Städel, dem “Paradiesgärtlein” des sog. Oberrheinischen Meisters. Eine halbe Stunde voller spannender Detailerklärungen zur komplexen Ikonographie in dieser nur briefblattgroßen Miniaturmalerei. Danach Jan van Eycks “Lucca-Madonna”, stellvertretend für die Blüte der spätmittelalterlichen Malerei der Niederlande, mit interessanten Hinweisen auf Technik, Malweise und Stil. Ein Blick in die Frührenaissance zu Botticellis “Idealbildnis”, ein etwas über lebensgroßes Halbportrait, das allegorisch ein weibliches Schönheitsideal feiert. Knapp zwei Jahrhunderte und eine Stunde später Jan Vermeers “Der Geograph”, ein Genrebild für einen reichen, bürgerlichen Auftraggeber in Delft mit Hinweisen auf die Wissenschaft und die Entdeckung der Welt in Form von Weltkarte und Globus. Zur Abrundung noch einen erweiternden Blick auf zeitgleiche kolorierte Weltkarten. Der Clou kam zum Abschluss mit einem gewaltigen Sprung in den Expressionismus: eine Gegenüberstellung von Cranachs “Venus” und Kirchners “Stehendem Akt mit Hut”, knapp 400 Jahre später entstanden.

Das machte ausnahmslos allen – wir waren 17 Verbandsmitglieder – Freude und vielen Lust auf mehr. Also wird es keine Wiederholung geben, sondern beim nächsten Mal, in der zweiten Märzhälfte, kommt auf Wunsch der Mehrheit die “Gegenwartskunst” des Städelmuseums an die Reihe, denn da, wo wenig ‘erzählt’ wird, gibt es umso mehr zu erklären.

Wenn genügend bleibendes Interesse besteht, wären nicht nur weitere Kunstmuseen, sondern auch thematisch ausgerichtete Führungen in regional oder lokal wichtigen historischen Museen etc. vorstellbar. Der Mehrwert besteht darin, dass wir durch die Führung von Fachleuten auch – und zwar unabhängig von unseren eigenen Interessenschwerpunkten – ein pädagogisches Instrument gezeigt bekommen, wie eine Museumsführung für unsere Reisegäste aufzubauen wäre.

 

   

besprochen wurden u. a. die Werke (auf staedelmuseum.de abrufbar):

Oberrheinischer Meister, Das Paradiesgärtlein, um 1410

Jan van Eyck, Lucca-Madonna, um 1436

Sandro Botticelli, Weibliches Idealbildnis, um 1480

Jan Vermeer, Der Geograph, 1669

Lucas Cranach d. J., Venus,  1532

Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, “Goethe in der Campagna” (1786/87)

Ernst Ludwig Kirchner, Stehender Akt mit Hut, 1910/1920

 

Dorothee L. Schaefer